Uploadfilter oder Recht auf Remix

Artikel 13 der geplanten EU-Urheberrechtsreform

Nach dem „Recht auf Löschung“ bzw. dem „Recht auf Vergessen(werden)“ (Art. 17 DSGVO) und dem Leistungsschutzrecht (LSR), das seit dem 1. August 2013 in Deutschland gilt, auch wenn es nach Meinung einiger in Deutschland nicht anwendbar ist, hat man sich mit der EU-Urheberrechtsreform etwas vorgenommen, was die Freiheit des Internets erheblich beschneiden könnte. Auch das bereits in Deutschland und Spanien geltende Leistungsschutzrecht soll in diesem Rahmen für die gesamte Europäische Union eingeführt werden. Ob dieses Vorhaben nun zu einer „angemessenen Regulierung des digitalen Kapitalismus“ oder eher zu einer „Bedrohung des freien Internets, wie wir es (noch) kennen“ führen würde, versucht dieser Artikel zu beleuchten.


Was ist das Urheberrecht?

An sich ist das Urheberrecht als ausschließliches Recht des Schöpfers an seinem Werk ja etwas Gutes. Es ermöglicht ihm die Nutzung oder Verwertung seines Werkes und bemächtigt allein den Urheber, anderen die Erlaubnis dazu zu erteilen. Zudem befähigt es den Schöpfer eines Werkes zu verhindern, dass sein Werk verändert oder entstellt wird und gibt ihm das Recht auf Namensnennung, wenn sein Werk von anderen genutzt wird.


Wie ist der Stand um Artikel 13?

Der am 25. Februar 2019 beschlossene, englische EU-Richtlinienentwurf, wurde am 26. März 2019, im Rahmen der Abstimmung des Europäischen Parlaments, ohne jegliche Änderungen befürwortet. Nun stimmt sich in der vierten Stufe lediglich der Rat der Europäischen Union dazu ein letztes Mal ab. Mit seiner Zustimmung wäre die EU-Richtlinie final und verbindlich und müsste innerhalb von 24 Monaten von jedem EU-Land in seine nationalen Gesetze überführt werden.

Die Diskussionen und Abstimmungen des EU-Parlaments wurden mit Aufkommen des Themas regelmäßig von Kritik und Protesten begleitet. Anfang März 2019 wurde versucht die Abstimmung zu Artikel 13 auf Mitte März vorzuverlegen, um so die Richtlinie schnell zu verabschieden. Es folgten große, spontan organisierte Gegendemos, dem Vorverlegungsantrag wurde nicht stattgegeben.

Desweiteren gab es an einem europaweit groß angelegten Demotag am 23. März 2019 zahlreiche Proteste, vor allem in Deutschland. Wikipedia stellte am 21. März 2019 im Rahmen eines „Blackouts“ zusammen mit zahlreichen anderen Internetplattformen den gesamten Tag lang seinen Dienst ein, um so ebenso gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform zu protestieren.

Weitere aktuelle Geschehnisse um Artikel 13 finden sich hier.


Was steht in Artikel 13?

Um eine angemessene Basis zur Diskussion über Artikel 13 zu haben, sollte man sich die Richtlinie bzw. den Richtlinienentwurf im Original anschauen. Frei übersetzt steht hier geschrieben:

Abs. 1. Betreiber/Plattformen/Provider (z.B. YouTube) haften für öffentliche Zugänglichmachungen der Nutzer. Plattformbetreiber sollen zur Verwendung Urheberrechtlich geschützten Materials durch seine Nutzer Lizenzvereinbarungen mit Urhebern bzw. Rechteinhabern schließen.

Abs. 2. Diese Lizenzvereinbarungen sollen Genehmigungen für die Nutzerhandlungen (Uploads) umfassen, solang diese „nicht auf kommerzieller Basis handeln und ihre Tätigkeit keine nennenswerten Einnahmen generiert“. Anmerkung: Bisher hafteten Nutzer bei Upload von Urheberrechtlich geschütztem Material. Der Plattformbetreiber hatte lediglich die Pflicht den Inhalt bei Bekanntwerden der Urheberrechtsverletzung zu entfernen (Notice & Takedown), ansonsten haftet er. Größere, kommerzielle YouTuber haben demnach ihre Lizenzen selbst zu besorgen.

Abs. 3. Die Haftungsbeschränkung aus Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG gilt nicht für die in diesem Artikel genannten Situationen.

Abs. 4. Wird keine Genehmigung/Lizenz erteilt (angefragt, aber nicht bekommen), haftet die Plattform für unbefugte öffentliche Zugänglichmachung.

Ausnahmen:

(a) Plattformbetreiber haben alle Anstrengungen unternommen, um eine Genehmigung zu erhalten.

(b) Plattformbetreiber haben alle Anstrengungen unternommen, die Nichtverfügbarkeit bestimmter Werke zu gewährleisten, die der Plattform vom Rechteinhaber gemeldet werden.

(c) Plattformbetreiber haben den Zugang zum gemeldeten Werk unverzüglich nach Erhalt einer Meldung vom Rechteinhaber sperren zu lassen und alle Anstrengungen zu unternehmen, um zu verhindern, dass es in Zukunft hochgeladen wird. (dies meint - auch wenn das Wort nicht in Art. 13 verwendet wird - den Uploadfilter)

Abs. 4a. Dies alles natürlich unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit wie

(a) Art/Größe des Werkes/Publikums

(b) Verfügbarkeit geeigneter & wirksamer Mittel sowie deren Kosten

Abs. 4aa: Plattformen, die weniger als 3 Jahre am Markt zugänglich sind und einen Jahresumsatz von weniger als 10 Mio. € erwirtschaften, müssen sich lediglich bestmöglich bemühen, alle Lizenzen/Genehmigungen zu erhalten (4a). Haben sie jedoch mehr als 5 Mio. Nutzer, müssen sie auch Abs. 4(c) gewährleisten.

Abs. 5. Ausnahmen zur Verwendung Urheberrechtlich-geschütztem Materials sind: Zitate, Reviews, Kritiken, Karikaturen, Parodien & Pastiche.

Abs. 6. fehlt in Richtlinienentwurf

Abs. 7: Dies alles darf nicht zu einer allgemeinen Überwachung führen.

Abs. 8: Anbieter / Plattformbetreiber müssen zügige Beschwerde- und Abhilfemechanismen zur Verfügung stellen, die von Nutzern bei Streitigkeiten oder Fragen über beseitigte oder gesperrte Inhalte/Werke genutzt werden können. Anträge von Rechteinhabern zur Entfernung oder Sperrung von Inhalten müssen hinreichend begründet werden. Beschwerden oder Einsprüche gegen die gemeldeten Inhalte/Werke müssen unverzüglich einer menschlichen Prüfung unterzogen werden.


Kritik an Artikel 13

Von Kritikern allerdings wird Artikel 13 als nicht umsetzbar kritisiert, da theoretisch die gesamte Welt lizensiert werden müsste.

Nehmen wir einmal das Beispiel Memes: Wären diese Bildneuschöpfungen, denen eigentlich immer ein Urheberrechtlich geschütztes Bild eines anderen Urhebers zugrunde liegt, nach Artikel 13 illegal? Oder könnte man sie nicht auch als Form von Parodien einstufen? Meinungsfreiheit, Verunglimpfung oder Urheberrechtsverletzung? Schaden diese Neuschöpfungen dem Urheber? Hier lässt sich meiner Meinung nach in beide Richtungen argumentieren, finanziell wie auch ethisch. Oder der Fall Sabrina Setlur, der 20 Jahre vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt wurde. Remixes oder Mash-Ups stellen unsere Rechtsprechung vor Probleme. Nach Fair-Use wäre klar, dass die Verwendung eines so kurzen Ausschnitts für ein völlig neues Werk Urheberrechtlich in Ordnung sei.

Desweiteren werden Uploadfilter als Fehler- und Missbrauchsanfällig beschrieben. Wie soll ein Algorithmus erkennen, ob eine Urheberrechtlich geschützter Inhalt nicht bspw. unter dem Schutz des Zitatrechts verwendet werden kann. Hier sollte zwar bei Einspruch eines Nutzers gegen die Entfernung eines Inhaltes die vorgeschriebene menschliche Prüfung die Korrektheit der Entfernung sicherstellen, spannend wäre dann aber zu sehen, wie/ob das reell zu bewältigen bleibt und welche Latenz sich daraus ergibt. Wird bspw. YouTube eine Armada an Personen hierfür einstellen, und wenn ja, werden diese, dem Aufkommen der Beschwerden und Einsprüche nachkommen können? Kreative wären so unter Umständen auch in ihren Veröffentlichungen behindert, da sie im Streitfall immer erst mal so lang schuldig sind, bis ihre Unschuld bestätigt wurde. Im Extremfall könnten sogar Vorwände genutzt werden, um Inhalte entfernen zu lassen, die nicht bestimmten Werten oder Vorstellungen entsprechen.

Auch die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit könnte deutlich beeinträchtigt werden, einige sprechen sogar von einer Zensurmaschinerie & Blockierung von Millionen von Seiten, Apps, Kanälen und Videos. Auch eine übermäßiges Blockieren könnte auftreten (Overblocking), damit Plattformen sicherstellen, sich keiner Klagewelle auszusetzen.

Dies alles kann wiederum Innovationen verlangsamen, die Vielfalt und Divergenz beeinträchtigen, sowie die Großen noch größer machen, da nur sie es sich leisten können, den Anforderungen nachzukommen.

Auch die Auswüchse des Leistungsschutzrechtes (LSR – Artikel 11) wie Linksteuer oder Einschränkungen des Zitierens sind kritisch zu betrachten. Danach müssen Nachrichten-Suchmaschinen wie Google News für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten künftig Geld an die Verlage zahlen. Hier sehen Kritiker insbesondere für kleine Verlage Nachteile, die gegenüber Google eine schwache Verhandlungsposition hätten. Zudem verweisen sie auf Deutschland, wo es ein Leistungsschutzrecht schon seit 2013 gibt, es aber nicht zu nennenswerten Geldzahlungen an die Verlage führt.

Auch Artikel 12 sollte verstärktes Augenmerk zuteil werden, sollen hiermit doch wieder Verwertungsgesellschaften stärker bemächtigt werden, mit einem Werk erwirtschaftetes Geld zwischen Verlagen und Urhebern aufzuteilen.


Ausblick

„Die Ablehnung von Artikel 13 ist realistisch“ sagt Julia Reda, deutsche Politikerin der Piratenpartei und seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments. Stand 25. März 2019 hatten bereits 130 Mitglieder des Europäischen Parlaments versprochen gegen die Urheberrechtsreform bzw. Artikel 13 zu stimmen. Über 5 Millionen Menschen haben bereits die Petition unterzeichnet. Desweiteren protestieren 145 Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen, Wirtschafts- und IT-Verbände wie die Bitkom, der deutsche Startup-Verband oder der Chaos-Computer-Club, der „Erfinder“ des Internets Tim Berners-Lee, Journalistenverbände und Kreativschaffende.

Gute Gegenvorschläge für ein einheitliches Europäisches Urheberrecht existieren ebenso schon. Auch ein Fair-Use-System wie es in den US und anderen Ländern bspw. schon existiert, ist deutlich flexibler. Hier werden mehrere Kriterien geprüft: Verdient die Person, die auf fremde Inhalte zurückgreift, damit Geld? Oder (er)schafft sie etwas Neues (Stichwort „Recht auf Remix“)?

Das Kopieren sollte als grundlegender Eckpfeiler digitaler Technologien keine Urheberrechtsverletzung darstellen. Verstärktes Augenmerk sollte stattdessen auf Veröffentlichung und Weitergabe von Inhalten gelegt werden. Dies wäre aber eine so radikale Abkehr von den Grundzügen des aktuellen Urheberrechts, dass wir davon noch relativ weit entfernt sind.

Update 22. März 2019: Der Artikel 11 wird nun unter Artikel 15 geführt, der Artikel 12 unter Artikel 16 und der Artikel 13 unter Artikel 17. Inhaltlich hat sich allerdings nichts geändert.

Update 26. März 2019: Die Abstimmung zur Urheberrechtsreform fand heute statt. Sie wurde mit großer Mehrheit angenommen. Artikel 15 (ehem. 11) und Artikel 17 (ehem. 13) bleiben enthalten und werden nicht gestrichen. Nun muss nur noch der Rat der Europäischen Union zustimmen. Wenn die Bundesregierung ihre Zustimmung im Rat zurückzieht, kann die Reform nicht in Kraft treten. Die Abstimmung ist vorraussichtlich am 9. April 2019.

Update 4. April 2019: Die Abstimmung ist am 15. April 2019.

Update 15. April 2019: Deutschland, wie auch die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten, haben heute endgültig für die EU-Urheberrechtsrichtlinie gestimmt. Damit wird die Reform nun von den EU-Mitgliedstaaten innerhalb der nächsten 2 Jahre rechtskonform umgesetzt werden müssen. Im Gegensatz zu einer EU-Verordnung (wie bspw. der DSGVO) wird die Überführung der Richtlinie in die nationale Gesetzgebung von EU-Staat zu EU-Staat kleine Unterschiede haben dürfen. Die Bundesregierung hat zudem eine Protokollerklärung bei der EU eingereicht. Darin heißt es etwa:

„Ziel muss es sein, das Instrument Upload-Filter weitgehend unnötig zu machen.“
Und außerdem:
„Die Bundesregierung wird all diese Modelle prüfen. Sollte sich zeigen, dass die Umsetzung zu einer Beschränkung der Meinungsfreiheit führt oder die zuvor skizzierten Leitlinien auf unionsrechtliche Hindernisse stoßen, wird die Bundesregierung darauf hinwirken, dass die festgestellten Defizite des EU-Urheberrechts korrigiert werden.“

Weitere Links zum Thema:
Chronologie der Ereignisse (playcentral.de)
Uploadfilter: Twitch erwägt Ausschluss von EU-Nutzern (golem.de)
Zur Eindämmung von Urheberrechtsverstößen: Flickr und Pixsy setzen auf automatisierte Bildüberprüfung (onlinemarketing.de)
Google lehnt milliardenschweren Lizenzvertrag mit VG Media ab (onlinemarketing.de)

Veröffentlicht am 26.03.2019


Quellen & Links:
[1] Recht auf Remix
[2] Save the meme!
[3] #whatthevoss
[4] Pledge 2019
[5] Save the internet


Der Autor

Sebastian Frost (Online Marketing Experte)
Sebastian Frost
Online Marketing Manager und Experte fürs Digitalgeschäft